Die Verschwiegenheitspflicht des Arbeitnehmers

Ein Arbeitnehmer erwirbt im Rahmen seiner Tätigkeit zwangsläufig umfangreiche Detailkenntnisse über interne Abläufe und auch Geschäftsgeheimnisse seines Arbeitgebers. Welche Auswirkungen die Offenbarung dieses Wissens gegenüber Dritten haben können, muss aktuell ein größerer amerikanischer Verwaltungsdienst im Zusammenhang mit den Veröffentlichungen eines ehemaligen und derzeit in Russland befindlichen Mitarbeiters schmerzlich erfahren.

Wenngleich nicht jede Preisgabe von Wissen für den eigenen Arbeitgeber zu so katastrophalen Folgen führt, wie die Äußerungen von Edward Snowden für die Nationale Sicherheitsbehörde in den USA, so gilt auch im deutschen Arbeitsrecht der Grundsatz, dass der Arbeitnehmer gegenüber seinem Arbeitgeber die vertragliche Nebenpflicht hat, insbesondere Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse vertraulich zu behandeln.

In welchem Umfang für den Arbeitnehmer diese Pflicht zu Verschwiegenheit besteht, hängt maßgeblich von den vertraglichen Vereinbarungen der Arbeitsvertragspartner und insbesondere davon ab, wie geheimhaltungsbedürftig das Material ist, von dem der Arbeitnehmer im Zuge seiner Tätigkeit Kenntnis erlangt.

Verrat von Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses ist strafbar

Wie ernst die Rechtsordnung die dem Arbeitnehmer obliegende Verschwiegenheitspflicht nimmt, kann man unschwer dem § 17 UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb) entnehmen. Nach dieser Norm droht einem Arbeitnehmer nämlich eine Gefängnisstrafe von bis zu drei Jahren oder Geldstrafe, wenn er einem Dritten ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis während der Geltungsdauer des Arbeitsverhältnisses unbefugt zu Zwecken des Wettbewerbs, aus Eigennutz, zugunsten eines Dritten oder in der Absicht, dem Inhaber des Unternehmens Schaden zuzufügen, mitteilt.

Ein Geschäftsgeheimnis setzt voraus, dass die fragliche Tatsache nur einem eng begrenzten Personenkreis bekannt ist, die Tatsache geheim gehalten werden soll und auch ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers an der Geheimhaltung besteht.

Tatsachen, die allgemeine bekannt sind und beispielsweise durch eine Recherche im Internet ermittelt werden können, sind keine Geschäftsgeheimnisse.

Auch Tatsachen, die keine Geschäftsgeheimnisse sind, unterliegen der Verschwiegenheitspflicht

Auch soweit dem Mitarbeiter bekannt gewordene Betriebsinterna nicht unmittelbar als Geschäftsgeheimnis einzustufen sind, kann für den Arbeitnehmer eine Verschwiegenheitspflicht bestehen.

Insbesondere solche Fakten und Vorgänge, die der Arbeitgeber selber als „vertraulich“ klassifiziert hat, muss der Arbeitnehmer für sich behalten und darf sie Dritten gegenüber nicht offenbaren.

Dies kann im Einzelfall auch für den konkreten Inhalt des zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer geschlossenen Arbeitsvertrages gelten. So kann der Arbeitgeber durchaus ein Interesse daran haben, dass der Arbeitnehmer Vergütungs- oder auch Abfindungsregelungen nicht an die große Glocke hängt, sondern für sich behält. Hat der Arbeitgeber dies gegenüber dem Arbeitnehmer klargestellt, hat sich der Arbeitnehmer daran zu halten.

Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen die Verschwiegenheitspflicht

Selbst wenn der Arbeitnehmer im Einzelfall durch die Preisgabe von Unternehmensinterna nicht den Straftatbestand des § 17 UWG verwirklicht, können die aus dem Bruch der Verschwiegenheit resultierenden Konsequenzen drastisch sein.

Soweit dem Arbeitgeber durch das Verhalten des Arbeitnehmers ein messbarer finanzieller Schaden entstanden ist, kann der Arbeitnehmer zum Ersatz dieses Schadens verpflichtet sein.

Weiter drohen dem Arbeitnehmer im Falle der Verletzung seiner Verschwiegenheitspflicht auch arbeitsrechtliche Konsequenzen. Eine Verletzung dieser vertraglichen Nebenpflicht kann unter Umständen zu einer verhaltensbedingten ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses führen. In ernsten Fällen kann der Arbeitgeber auch eine fristlose außerordentliche Kündigung aussprechen.

Besteht auch eine nachvertragliche Verschwiegenheitspflicht?

Ob und in welchem Umfang auch nach Beendigung eines Arbeitsverhältnisses für den Arbeitnehmer eine Verschwiegenheitspflicht besteht, ist im Einzelnen streitig.

Grundsätzlich ist der Arbeitnehmer nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses frei, sein bei seinem ehemaligen Arbeitgeber redlich erworbenes Wissen anderweitig oder auch für eigene Zwecke einzusetzen.

§ 17 UWG und die dort enthaltene Strafandrohung gilt in Absatz 1 der Vorschrift ausdrücklich nur für den Zeitraum „während der Geltungsdauer des Dienstverhältnisses“.

Allerdings kann der Arbeitnehmer den Tatbestand des § 17 Abs. 2 UWG auch nach Beendigung des Anstellungsverhältnisses verwirklichen.

Der Arbeitgeber, der auch nach Beendigung des Anstellungsverhältnisses Wert auf die Verschwiegenheit seines Mitarbeiters legt, muss mit dem Arbeitnehmer eine Vereinbarung treffen, die den Mitarbeiter auch nach Ausscheiden aus dem Unternehmen zur Verschwiegenheit verpflichtet.

Wenn es dem Arbeitgeber im Zuge einer Vereinbarung vorzugsweise darum geht, dass ihm der Ex-Mitarbeiter mit seinem erworbenen Wissen keine Konkurrenz macht, und der Mitarbeiter durch die Vereinbarung in seinen beruflichen Möglichkeiten eingeschränkt wird, wird der Arbeitgeber dem Mitarbeiter analog § 74 Abs. 2 HGB (Handelsgesetzbuch) eine Karenzentschädigung zahlen müssen.