Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt - § 266a StGB

Das soziale Netz in Deutschland ist enorm engmaschig geknüpft. Wenn der einzelne Bürger in eine Situation gerät, in der er auf die Hilfe Dritter angewiesen ist, dann kann er sich im Regelfall auf das deutsche Sozialversicherungssystem verlassen. Unabhängig von der Frage, ob der einzelne durch Krankheit, einen Unfall oder durch Arbeitslosigkeit vorübergehend aus der Bahn geworfen wurde, sorgt die Solidargemeinschaft dafür, dass zumindest die finanziellen Folgen solcher Ereignisse für den einzelnen nicht Existenz bedrohend werden.

Das Sozialsystem in Deutschland kann natürlich nur dann funktionieren, wenn es durch Beiträge gespeist wird. Jeder, der von dem System profitiert, ist danach verpflichtet, seinen Teil zu den einzelnen Sozialversicherungssystemen beizutragen. Sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber haben durch regelmäßige Beitragszahlungen die Funktionsfähigkeit der einzelnen Sicherungssysteme zu gewährleisten.

Diese Pflicht zur Abführung von Beiträgen zu sozialen Sicherungssystemen hat der Gesetzgeber als so wichtig angesehen, dass er die Nichtabführung von Beiträgen nicht nur mit zivilrechtlichen Sanktionen belegt hat. Wer als Arbeitgeber Beiträge zur Sozialversicherung nicht korrekt abführt oder wer als Arbeitgeber unrichtige Angaben gegenüber den verantwortlichen Stellen der Sozialversicherungsträger macht, der muss mit strafrechtlichen Folgen rechnen. Das Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen ist seit dem Jahr 1986 mit Freiheits- oder Geldstrafe bedroht.

Ebenfalls mit Strafe bedroht ist in § 266a Abs. 3 StGB (Strafgesetzbuch), das Nichtabführen sonstiger einbehaltener Teile des Arbeitsentgelts durch den Arbeitgeber.

Das Vorenthalten von Arbeitnehmeranteilen - § 266a Abs. 1 StGB

Nach § 266 a Abs. 1 StGB ist das Unterbleiben der Abführung von Arbeitnehmeranteilen an der Sozialversicherung.

Sobald ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne von § 7 SGB IV (Sozialgesetbuch 4.Teil) zwischen einem Arbeitgeber und einem Arbeitnehmer begründet wurde, hat der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer dessen hälftige Anteile an Kranken-, Renten-, Pflege- und Unfallversicherung abzuführen.

Nach Absatz 1 des § 266a StGB wird bestraft, wer als Arbeitgeber diese Beiträge bei Fälligkeit nicht abführt und sie auf diesem Weg den Einzugsstellen der Sozialversicherungsträger vorenthält.

Für die Verwirklichung des Straftatbestandes nach Abs. 1 des § 266a StGB kommt es ausdrücklich nicht darauf an, ob der Arbeitgeber die zuständigen Einzugsstellen überhaupt von dem Beschäftigungsverhältnis in Kenntnis gesetzt hat. Ebenso ist es nicht von Belang, ob zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ein mündlicher, ein schriftlicher oder auch nur ein wirksamer Arbeitsvertrag abgeschlossen wurde. Sobald nur ein Arbeitsverhältnis begründet wurde, ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Arbeitnehmeranteile an den Sozialversicherungsbeiträgen abzuführen. Unterlässt er das, macht er sich strafbar.

Ob und in welchem Umfang vom Arbeitgeber Sozialversicherungsbeiträge abzuführen sind, bestimmt das Sozialversicherungsrecht. Nach § 28e SGB IV obliegt dem Arbeitgeber der Einbehalt und die Abführung der Arbeitnehmeranteile.

Nach § 23 Abs. 1 SGB IV hat der Arbeitgeber die Beiträge spätestens am drittletzten Bankarbeitstag des Monats zu bezahlen, in dem die Beschäftigung oder Tätigkeit, mit der das Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielt wird, ausgeübt worden ist.

Das Vorenthalten von Arbeitgeberanteilen - § 266a Abs. 2 StGB

Nach Absatz 2 des § 266a StGB wird ein Arbeitgeber dann mit Geld- oder Freiheitsstrafe belegt, wenn er unrichtige Angaben zu sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen macht und dadurch die von ihm als Arbeitgeber zu tragenden Anteile an den Sozialversicherungsbeiträgen nicht ordnungsgemäß abführt.

Der Arbeitgeber kann den Tatbestand des § 266a Abs. 2 StGB zu einen dadurch verwirklichen, indem er unrichtige oder auch nur unvollständige Angaben macht und zum anderen auch durch ein pflichtwidriges Unterlassen von Angaben. Welche Erklärungen ein Arbeitgeber gegenüber den Sozialversicherungsträgern im einzelnen zu machen hat, ergibt sich aus § 28a SGB IV.

Vorenthalten sonstiger Teile des Arbeitsentgelts - § 266a Abs. 3 StGB

Nach Abs. 3 des § 266a StGB kommt ein Arbeitgeber dann mit dem Strafrecht in Konflikt, wenn er dem Arbeitnehmer zwar Teile des Arbeitsentgeltes, den er für den Arbeitnehmer an einen anderen zu zahlen hat, zwar einbehält, dann aber seiner Pflicht, die einbehaltenen Beträge auch tatsächlich abzuführen, nicht nachkommt.

Der Abs. 3 des § 266a StGB ist im Vergleich zu den Tatbeständen nach Absatz 1 und 2 wenig praxisrelevant. In Frage kommt eine Strafbarkeit nach Abs. 3 beispielsweise bei einer dem Arbeitgeber vorliegenden Lohnpfändung, auf die der Arbeitgeber zwar mit einem Einbehalt von Lohnanteilen aber nicht mit der Abführung der einbehaltenen Gelder reagiert.

Wer kann Täter sein?

§ 266a StGB ist ein Straftatbestand, den nur ein Arbeitgeber verwirklichen kann. Alleine ihn trifft die Pflicht, sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse ordnungsgemäß anzumelden und nachfolgend die Beiträge abzuführen.

Ein Arbeitnehmer kann sich demnach nie nach § 266a StGB strafbar machen.

Im Strafgesetzbuch ist nicht definiert, wer Arbeitgeber ist. Die Rechtsprechung geht davon aus, dass derjenige Arbeitgeber – und möglicher Täter nach § 266a StGB ist, der einen anderen als Arbeitnehmer im Sinne von §§ 611 ff. BGB beschäftigt.

Jeder, der einen anderen also weisungsgebunden und abhängig beschäftigt, ist Arbeitgeber im Sinne des StGB.

Arbeitgeber können dabei sowohl natürliche Personen als auch so genannte juristische Personen, z.B. eine Aktiengesellschaft oder eine GmbH, sein. Ist Arbeitgeber eine juristische Person, dann sind nach § 14 StGB die Organe bzw. die vertretungsberechtigten Gesellschafter als Arbeitgeber anzusehen.

Ein Geschäftsführer einer GmbH oder einer Ltd. Kommt demnach als Täter nach § 266a StGB in Frage, wenn er Sozialversicherungsbeiträge nicht ordnungsgemäß abführt.

Welche Strafen drohen?

Das Grunddelikt des § 266a StGB ist mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren belegt. Entscheidend für die Frage, ob im Einzelfall eine Geld- oder eine Freiheitsstrafe verhängt wird, sind die Höhe der vorenthaltenen Beiträge und die Dauer, für die die Beiträge nicht oder nicht ordnungsgemäß abgeführt wurden.

In besonders schweren Fällen reicht der Strafrahmen nach § 266a Abs. 4 StGB von sechs Monaten bis zu 10 Jahren Freiheitsstrafe. Ein solcher besonders schwerer Fall liegt regelmäßig dann vor, wenn der Arbeitgeber aus grobem Eigennutz und in großem Ausmaß Beiträge vorenthält oder wenn der Arbeitgeber unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Beiträge vorenthält.

Ein Vorenthalten von Beiträgen „im großen Ausmaß“ wird man bei nicht abgeführten Beiträgen in der Regel ab einer Summe von 50.000 Euro annehmen müssen.

Die strafbefreiende Selbstanzeige

Ähnlich wie im Steuerstrafrecht hat auch ein Arbeitgeber, der Sozialversicherungsbeiträge nicht abführt, die Möglichkeit, einer Bestrafung durch eine Selbstanzeige zu entgehen.

Der Arbeitgeber muss sich schriftlich an die Einzugsstelle wenden, dort die Höhe der vorenthaltenen Beiträge beichten und darlegen, warum ihm eine fristgemäße Zahlung nicht möglich ist, obwohl er sich darum ernsthaft bemüht hat.

Wenn der Arbeitgeber dann noch innerhalb einer von der Einzugsstelle festzusetzenden Frist die ausstehenden Beiträge nachentrichtet, kann er mit dieser Selbstanzeige einer strafrechtlichen Verurteilung entgehen.

Wann tritt Verjährung ein?

Die Verjährungsfrist für das Grunddelikt des § 266a Abs. 1 und 2 StGB beläuft sich nach § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB auf fünf Jahre.

Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass diese Frist nach § 78a StGB erst dann zu laufen beginnt, sobald die Tat beendet ist.

Beendet ist die Tat aber nach herrschender Meinung erst dann, wenn die Pflicht zur Entrichtung der Beiträge weggefallen ist.

Soweit Beiträge vom Arbeitgeber aber vorsätzlich vorenthalten wurden, verjähren die Ansprüche der Sozialversicherungsträger nach § 25 Abs. 1 SGB IV erst in dreißig Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie fällig geworden sind.

Soweit also Beiträge vorsätzlich nicht abgeführt wurden, droht dem Arbeitgeber auch noch Jahrzehnte nach dem Begehen der Tat eine strafrechtliche Verurteilung.