Muss der Arbeitnehmer vor der Abmahnung angehört werden?

Hat der Arbeitgeber die Absicht, einem bestimmten Arbeitnehmer eine arbeitsrechtliche Abmahnung zu erteilen, so stellt sich die Frage, ob der Arbeitgeber den Arbeitnehmer vorab anzuhören und diesem die Gelegenheit geben muss, seine Sicht der Dinge zu schildern.

Es gibt dabei theoretisch zwei Zeitpunkte, zu denen der Arbeitgeber den Arbeitnehmer in Zusammenhang mit einer Abmahnung anhören kann. Dem Arbeitnehmer kann sowohl vor Erteilung der Abmahnung als auch vor Aufnahme der Abmahnung in die Personalakte vom Arbeitgeber Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden.

Besteht Interesse an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses?

Besteht auf Seiten des Arbeitgebers Interesse an einer dauerhaften Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem betroffenen Mitarbeiter, dann kann eine Anhörung des Arbeitnehmers durchaus Sinn machen. Die mit der Abmahnung verbundene Rüge und auch Warnung kann im Rahmen eines Gespräches im Einzelfall besser transportiert werden, als wenn dem Arbeitnehmer eine schriftliche Abmahnung kommentarlos auf seinen Schreibtisch gelegt wird.

Auch erleidet der Arbeitgeber durch eine Anhörung des Arbeitnehmers keinerlei Nachteile. Sein Recht, eine Abmahnung wegen eines pflichtwidrigen Verhaltens des Arbeitnehmers auszusprechen, wird durch eine vorherige Anhörung des Mitarbeiters in keiner Weise tangiert.

Soll die Abmahnung eine Kündigung vorbereiten?

Liegt der Schwerpunkt der Abmahnung allerdings für den Arbeitgeber eher auf der Vorbereitung einer Kündigung, dann kann sich der Arbeitgeber eine Anhörung des Mitarbeiters vor Erteilung der Abmahnung auch sparen. Rechtlich ist der Arbeitgeber nämlich grundsätzlich weder vor Erteilung der Abmahnung noch vor Aufnahme der Abmahnung in die Personalakte verpflichtet, dem betroffenen Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

Ebenso wenig wie bei einer Kündigung selbst, besteht für den Arbeitgeber im Rahmen einer Abmahnung die Verpflichtung, sich vorab von dem Arbeitnehmer dessen Sicht der Dinge schildern zu lassen.

Tarifvertrag kann Anhörungsrecht vorsehen

Insbesondere in dem für die öffentliche Verwaltung geltenden Tarifvertrag der Länder ist in § 3 Abs. 6 normiert, dass die Beschäftigten über Beschwerden und Behauptungen tatsächlicher Art, die für sie ungünstig sind oder ihnen nachteilig werden können, vor Aufnahme in die Personalakten gehört werden müssen.

Verstößt ein öffentlicher Arbeitgeber gegen diese Vorschrift, so hat der betroffene Arbeitnehmer einen Anspruch auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte. Gleichwohl kann die unter Verstoß gegen das Anhörungsrecht erteilte Abmahnung aber Grundlage für eine spätere verhaltensbedingte Kündigung sein.

Die materiell-rechtliche Wirkung als Vorstufe zu einer verhaltensbedingten Kündigung verliert die Abmahnung also auch ohne Anhörung des Arbeitnehmers grundsätzlich nicht.