Wie lange kann sich der Arbeitgeber mit einer Abmahnung Zeit lassen?

Eine durch den Arbeitgeber ausgesprochene Abmahnung dient zur Rüge des Arbeitnehmers und soll diesen eindringlich daran erinnern, dass der Arbeitgeber bei Wiederholung des abgemahnten Verhaltens die Möglichkeit hat, das Arbeitsverhältnis mittels einer Kündigung aufzulösen.

Eine Abmahnung macht natürlich vorzugsweise dann Sinn, wenn zwischen dem abmahnwürdigen Verhalten des Arbeitnehmers und der Abmahnung des Arbeitgebers ein möglichst kleiner Zeitraum liegt. Nur so kann eine Abmahnung den mit ihr verbundenen Effekt, den Arbeitnehmer nachhaltig zu warnen und zu einer Änderung seines Verhaltens zu bewegen, erfüllen.

Es besteht aber kein Rechtsgrundsatz, wonach der Arbeitgeber die Abmahnung innerhalb eines bestimmten Zeitraums aussprechen muss, damit die Abmahnung wirksam ist. Der Arbeitgeber kann also grundsätzlich frei darüber entscheiden, ob er die Abmahnung am Tag nach dem Fehlverhalten des Arbeitnehmers ausspricht, oder ob eine Woche oder sogar einen Monat ins Land gehen lässt, bevor die Abmahnung ausgesprochen wird.

Mögliche Verwirkung des Rechts auf Abmahnung

Losgelöst von der Tatsache, dass eine in unmittelbarer zeitlicher Nähe zum beanstandeten Verhalten ausgesprochene Abmahnung für den Arbeitgeber den größten Nutzen verspricht, kann das Recht des Arbeitgebers, eine Abmahnung auszusprechen, auch verwirken. Hat der Arbeitgeber demnach mit seiner Abmahnung zu lange gezögert, kann sie keine Wirkung mehr entfalten und kann insbesondere nicht mehr als Grundlage für eine nachfolgende Kündigung dienen.

Wann ist eine Verwirkung anzunehmen?

Wann der Arbeitgeber sein Recht, ein Verhalten des Arbeitnehmers abzumahnen, wegen Verwirkung verliert, ist im Gesetz nirgendwo definiert. Der Tatbestand der Verwirkung besteht grundsätzlich aus einem so genannten Zeitmoment und einem Umstandsmoment.

Zum einen muss der Arbeitgeber für einen längeren Zeitraum nach dem in Frage stehenden Zeitraum inaktiv geblieben sein. Weiter muss er sich in dieser Zeit gegenüber dem Arbeitnehmer so verhalten haben, dass dieser darauf vertrauen konnte, dass der Arbeitsvertrag ohne größere Unstimmigkeiten fortgesetzt werden kann.

Von Gerichten wurde in diesem Zusammenhang schon entschieden, dass ein Zeitraum von einem ganzen Jahr, der zwischen dem beanstandeten Verhalten und der dann erfolgten Abmahnung lag, zuviel sei. In diesem Fall wurde eine Verwirkung des Rechts des Arbeitgebers angenommen, eine wirksame Abmahnung auszusprechen.

Ergänzend verwies das Gericht in diesem Fall auf eine tarifliche Ausschlussfrist von sechs Monaten hin, binnen der die Arbeitsvertragspartner ihre wechselseitigen Ansprüche geltend machen müssten. Diese tarifvertragliche Regel könne zwar nicht direkt auf die Frage angewandt werden, binnen welcher Frist eine Abmahnung zu erfolgen hat, jedoch käme eine analoge Anwendung der Ausschlussfrist in Frage.

Hat der Arbeitgeber also auf den Pflichtverstoß des Arbeitnehmers zunächst eher zurückhaltend und vermittelnd reagiert, spricht viel dafür, dass sich der Arbeitnehmer darauf einrichten durfte, dass keine schlimmeren Konsequenzen auf ihn zukommen und eine Abmahnung auch nicht mehr wirksam ausgesprochen werden kann.