Zusätzliche Vergütung für Überstunden?

Leistet ein Arbeitnehmer mehr Arbeitsstunden, als in seinem Arbeitsvertrag oder in einem für das Arbeitsverhältnis geltenden Tarifvertrag vorgesehen ist, dann spricht man von Überstunden oder Mehrarbeit.

Für den Arbeitnehmer stellt sich in diesem Fall die wirtschaftlich zuweilen durchaus interessante Frage, ob er für seinen Mehreinsatz auch eine zusätzliche Vergütung erhält.

Einfach ist diese Frage dann zu beantworten, wenn der zugrunde liegende individuelle Arbeitsvertrag entsprechende Regelungen enthält. Die Frage der zusätzlichen Entlohnung von Überstunden kann weiter – wirksam – in Betriebsvereinbarungen oder auch in einem Tarifvertrag geregelt sein.

Fehlen aber individuelle oder kollektivrechtliche Regelungen zur Frage der Vergütung für Überstunden, dann kann ein Anspruch des Arbeitnehmers nach § 612 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) gegeben sein. Nach dieser Vorschrift gilt „eine Vergütung … als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist.“

Gerichte gehen dabei in der Frage, wann denn ein Arbeitnehmer eine zusätzliche, wenngleich nicht explizit vereinbarte, Vergütung für seine Mehrarbeit verlangen kann, von einem eher ernüchternden Grundsatz aus. So gibt es nämlich nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gerade bei Diensten höherer Art keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz, „dass jede Mehrarbeitszeit oder jede dienstliche Anwesenheit über die vereinbarte Arbeitszeit hinaus zu vergüten ist“.

Dies musste sich zuletzt ein angestellter Rechtsanwalt sagen lassen, der von den Partnern seiner Kanzlei tagtäglich zu Mehrarbeit „veranlasst“ wurde, diese aber am Ende nicht bezahlt bekam (BAG – Urteil vom 17.08.2011 - 5 AZR 406/10).

Unabhängig von dieser grundsätzlichen Betrachtung hat ein Arbeitnehmer aber bei vom Arbeitgeber veranlassten Überstunden regelmäßig dann einen Anspruch auf entsprechende Mehrvergütung, wenn er diese zusätzliche Vergütung objektiv erwarten durfte.

Grundlegend untersuchen Gerichte bei Streitfällen über eine vom Arbeitnehmer geforderte Überstundenvergütung zunächst, ob die vom Arbeitnehmer erbrachte konkrete zusätzliche Tätigkeit tatsächlich über das von ihm geschuldete (und von seinem Lohn abgedeckte) Leistungspensum hinausgeht.

Kritisch wird das von den Gerichten regelmäßig für vom Arbeitnehmer geltend gemachte zusätzliche Zeiten für das Waschen oder Umziehen vor dem eigentlichen Arbeitsbeginn oder auch für Reisetätigkeiten des Arbeitnehmers gesehen. Für solche oder vergleichbare Tätigkeiten gibt es eine Tendenz seitens der Gerichte, eine zusätzliche Vergütungspflicht zu verneinen.

Für sonstige zusätzliche Arbeitsleistungen darf der Arbeitnehmer aber nach der Rechtsprechung des BAG dann berechtigterweise auf eine zusätzliche Vergütung drängen, wenn er eine zusätzliche Entlohnungunter Berücksichtigung der Verkehrssitte, der Art, des Umfangs und der Dauer der Dienstleistung sowie der Stellung der Beteiligten zueinanderberechtigterweise erwarten durfte. Diese mit unbestimmten Rechtsbegriffen gespickte Formulierung kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass Arbeitnehmern in aller Regel dann eine Überstundenvergütung zusteht, wenn sie über ihre vertraglichen Verpflichtungen hinaus Arbeitsleistung erbracht haben.

Ausnahmen von diesem Grundsatz macht die Rechtsprechung bei von Familienmitgliedern erbrachter Mehrleistung sowie bei Überstunden, die von leitenden Angestellten oder bei „Diensten höherer Art“ (z.B. Rechtsanwälte) erbracht werden, da bei diesen Personen eine Mehrleistung im Vergleich zum vertraglich Geschuldeten „erwartet werden darf“.

Zur Ermittlung der Höhe der zusätzlichen Vergütung für Überstunden wird man auf das Grundgehalt des Arbeitnehmers abstellen und so den jeweiligen Zeitanteil je erbrachter Überstunde inklusive übertariflicher Bestandteile und Zulagen ermitteln müssen.