Betriebsbedingte Kündigung

Findet auf das Arbeitsverhältnis das Kündigungsschutzgesetz Anwendung (vgl. Ausführungen zum Kündigungsschutz), ist die betriebsbedingte Kündigung einer der Gründe, die den Arbeitgeber zur Kündigung berechtigen können.

Von einer betriebsbedingten Kündigung spricht man, wenn die Kündigung aus "dringenden betrieblichen Erfordernissen" vom Arbeitgeber ausgesprochen werden muss. Wann nunmehr ein dringendes betriebliches Erfordernis vorliegt, ist wohl mit einer der am schwierigsten, zu beantwortenden Fragen des Kündigungsschutzrechtes.

Hierzu sind zahlreiche Entscheidungen ergangen, deren Kenntnis unerlässlich ist, da gerade aufgrund der hohen Anforderungen, die die Rechtsprechung gesetzt hat, in der Praxis zahlreiche Fehler passieren können. Darüber hinaus ist der Arbeitgeber immer dann, wenn mehrere Arbeitnehmer für eine betriebsbedingte Kündigung in Betracht kommen, verpflichtet, eine sog. Sozialauswahl durchzuführen.

Dieses Auswahlverfahren hat es wirklich in sich. Denn, werden bei der Auswahl des Arbeitnehmers soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt, ist die Kündigung nach dem Gesetz unwirksam und nicht selten bringt eine fehlerhafte Sozialauswahl die betriebsbedingte Kündigung zu Fall.

Dringende betriebliche Gründe

Wann ist nunmehr eine betriebsbedingte Kündigung zulässig? Zunächst müssen einmal "dringende betriebliche Gründe" vorliegen, die zum Verlust eines oder mehrerer konkreter Arbeitsplätze führen. Die Palette der in Betracht kommenden betrieblichen Gründen ist vielseitig.

Üblicherweise wird zwischen sog. innerbetrieblichen Gründen (z.B. Stilllegungen des Betriebes oder von Betriebsteilen, Outsourcing, organisatorische oder technische Rationalisierungsmaßnahmen, Umstellung oder Einschränkung der Produktion) und sog. außerbetrieblichen Gründen (z.B. Umsatzrückgang, Auftragsmangel, Rohstoffmangel) unterschieden, wobei es jedoch auf die Unterscheidung in der Praxis nicht ankommt.

Sie wirken sich meist jedoch sehr weitreichend auf die Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers im Streitfall aus. Betriebliche Gründe sind jedoch nur dringlich, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht mehr anderweitig auf einen gleichwertigen, ggf. auch -nach einer Änderungskündigung- schlechteren freien Arbeitsplatz im Betrieb beschäftigen kann.

"Frei" sind solche Arbeitsplätze, die zum Zeitpunkt der Kündigung zu besetzen sind oder mit Ablauf der Kündigungsfrist frei werden. Ein Anspruch des Arbeitnehmers auf eine Beschäftigung auf einer freien höherwertigen Stelle besteht hingegen im allgemeinen nicht.

In der Praxis kommen häufig Einwendungen der betroffenen Arbeitnehmer, die konkrete Maßnahme des Arbeitgebers, die sodann zum Wegfall der Arbeitsplätze führte, sei nicht erforderlich gewesen. Auf diesen Einwand kommt es im allgemeinen nicht an. Bei der Entscheidung des Arbeitgebers, z.B. einen Betrieb bzw. Betriebsteil stillzulegen oder Rationalisierungsmaßnahmen zu ergreifen, handelt es sich um eine sog. "freie Unternehmerentscheidung", die auch von den Arbeitsgerichten nur eingeschränkt überprüft werden darf.

Denn, wie der Arbeitgeber seinen Betrieb führt und welche Entscheidungen er in diesem Zusammenhang trifft, ist grundsätzlich seine Sache. Die Entscheidungen dürfen nur nicht offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich sein, was jedoch in der Praxis selten der Fall sein wird, da nicht davon auszugehen ist, dass ein Arbeitgeber seinen Betrieb absichtlich "an die Wand fährt".

Sozialauswahl

Liegen an sich dringende betriebliche Gründe vor, die zum Wegfall von Arbeitsplätzen führen, darf der Arbeitgeber jedoch in der Folge nicht zwangsläufig den Arbeitnehmer betriebsbedingt kündigen, der einen der betroffenen Arbeitsplätze gerade besetzt oder der ihm schon seit geraumer Zeit ein "Dorn im Auge" ist. Kommen für eine Kündigung mehrere Arbeitnehmer in Betracht, muss jedoch nicht allen gekündigt werden, muss der Arbeitgeber unter ihnen nach sozialen Gesichtspunkte auswählen. Dieses Verfahren nennt man umgangssprachlich "Sozialauswahl".

Welche Arbeitnehmer sind jedoch überhaupt in die Sozialauswahl mit einzubeziehen? Grundsätzlich sind in die soziale Auswahl nur vergleichbare Arbeitnehmer einzubeziehen, d.h. solche die gegeneinander austauschbar wären. Die Vergleichbarkeit richtet sich dabei in erster Linie nach arbeitsplatzbezogenen Kriterien, also zunächst nach der ausgeübten Tätigkeit.

Vergleichbar und damit austauschbar sind solche Arbeitnehmer, die eine vergleichbare Tätigkeit ausüben oder ggf. nach einer kurzen Einarbeitungszeit aufgrund ihrer Qualifikation und Eignung in der Lage wären, den verbleibenden Arbeitsplatz zu besetzen. Diese Arbeitnehmer sind jedoch nur zu berücksichtigen, wenn sie der Arbeitgeber auch einseitig und damit ohne Änderungskündigung verpflichten kann, diese anderweitige Tätigkeit auszuüben. Das wiederum hängt von den Regelungen im Arbeitsvertrag ab.

Nicht in die Sozialauswahl mit einzubeziehen sind im allgemeinen die Arbeitnehmer, die noch keinen allgemeinen Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz genießen, weil sie noch keine sechs Monate im Betrieb beschäftigt sind (vgl. Ausführungen zum Kündigungsschutz). Ebenfalls nicht im Rahmen der Sozialauswahl zu berücksichtigen sind grundsätzlich die Arbeitnehmer, die aufgrund eines einschlägigen Tarifvertrages oder aufgrund einer Vereinbarung im Arbeitsvertrag ordentlich unkündbar sind.

Gleiches gilt zunächst auch für die Arbeitnehmer, die aufgrund gesetzlicher Vorschriften besonders vor Kündigungen geschützt sind, wie z.B. Schwangere, schwerbehinderte Menschen, Betriebsräte. Besteht der besondere Kündigungsschutz jedoch nur darin, dass der Arbeitgeber vor der Kündigung die Zustimmung einer Behörde einholen muss (z.B. bei den schwerbehinderten Menschen oder Schwangeren - vgl. hierzu auch Ausführungen zum Kündigungsschutz), sind sie auf jeden Fall in die Sozialauswahl mit einzubeziehen, wenn die Zustimmung vorliegt.

Ist der Kreis der in die Sozialauswahl mit einzubeziehenden Arbeitnehmer bestimmt, muss der Arbeitgeber nach sozialen Gesichtspunkten den oder die Arbeitnehmer auswählen, die die Kündigung am wenigsten hart trifft.

Die Sozialauswahl war in der Regel für den Arbeitgeber ein großer Unsicherheitsfaktor, da der Gesetzgeber bislang nicht vorgegeben hat, welche "sozialen Gesichtspunkte" der Arbeitgeber im einzelnen zu berücksichtigen hat und wie sie untereinander zu gewichten sind.

Da unter "sozialen Gesichtspunkten" letztendlich bei genügend Phantasie und je nach Sachverhalt zunächst grundsätzlich erst einmal alles mögliche verstanden werden konnte, gleichwohl natürlich auch Grenzen bestehen mussten, war die Sozialauswahl und damit die Wirksamkeit der Kündigung für den Arbeitgeber in der Regel nur schwer berechenbar. Um die Sozialauswahl einfacher zu gestalten, hat der Gesetzgeber nunmehr mit der Reform des Kündigungsschutzgesetzes die Sozialauswahl ab 01.01.2004 auf folgende vier Kriterien begrenzt:

  • Dauer der Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers
  • Lebensalter des Arbeitnehmers
  • Unterhaltspflichten des Arbeitnehmers
  • Schwerbehinderung des Arbeitnehmers

Weitere soziale Gesichtspunkte wie z.B. Krankheiten oder Arbeitsmarktchancen des Arbeitnehmers spielen grundsätzlich keine Rolle mehr. Nach dem Gesetz sind diese vier Gesichtspunkte "ausreichend" zu berücksichtigen. Damit ist also nach wie vor offen, wie die Kriterien untereinander zu gewichten sind.

Darüber hinaus hat der Gesetzgeber wieder die sog. "Leistungsträgerklausel" eingeführt. Der Arbeitgeber kann danach Arbeitnehmer von der Sozialauswahl ausnehmen, deren Weiterbeschäftigung insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zu Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur im betrieblichen Interesse liegt. Damit wollte der Gesetzgeber klarstellen, dass betriebsbedingte Kündigungen nicht zu Entlassungen von Leistungsträgern, zur Überalterung der Belegschaft oder Beeinträchtigungen der Leistungsfähigkeit des Betriebes führen müssen.

Darüber hinaus können Arbeitgeber und Betriebsrat nunmehr im Rahmen eines Interessensausgleiches über eine Betriebsänderung eine Liste mit Namen von Arbeitnehmern aufstellen, denen aufgrund der Betriebsänderung betriebsbedingt gekündigt werden soll. Haben sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf eine solche Liste verständigt, dann wird gesetzlich vermutet, dass diesen Arbeitnehmern aus dringenden betrieblichen Gründen gekündigt werden musste. Arbeitnehmer, denen aufgrund solch eines Listenplatzes gekündigt wurden, werden es folglich sehr schwer haben, in einem Kündigungsschutzprozess gegen die betriebsbedingte Kündigung erfolgreich vorzugehen.

Betriebsbedingte Kündigung und Abfindungsanspruch

Die Reform des Kündigungsschutzgesetzes zum 01.01.2004 hat noch eine weitere Neuerung im Bereich der betriebsbedingten Kündigungen gebracht. Ab 01.01.2004 hat der Arbeitgeber bei betriebsbedingten Kündigung die Möglichkeit, dem Arbeitnehmer ein gesetzliches Abfindungsangebot zu unterbreiten.

Der Abfindungsanspruch besteht jedoch nur, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer in der betriebsbedingten Kündigung schriftlich darauf hingewiesen hat und der Arbeitnehmer die dreiwöchige Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage verstreichen lässt, folglich von seinem Kündigungsschutzrecht keinen Gebrauch macht. Die Höhe der Abfindung beträgt dabei ein halbes Monatsgehalt pro Beschäftigungsjahr.

Mit dieser gesetzlichen Regelung soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass eine ganz überwiegende Zahl der Kündigungsschutzprozesse nur geführt wird, um eine Abfindung zu erhalten. Die gesetzliche Abfindungsregelung soll dazu beitragen, die Arbeitsgerichte von Kündigungsschutzklagen zu entlasten.

Ob diese Regelung in der Praxis jedoch den gewünschten Erfolg bringen wird, ist fraglich. Denn auch bisher war es bereits möglich, dem Arbeitnehmer vor oder auch noch nach Ausspruch einer Kündigung eine Abfindung anzubieten. Auch jetzt ist der Arbeitgeber nach wie vor frei in seiner Entscheidung, ob er den "gesetzlichen" Abfindungsanspruch unterbreiten will oder nicht. Der Arbeitgeber muss dieses Angebot nicht machen und der Arbeitnehmer hat auch keinen Anspruch hierauf. Im Gegenzug ist der Arbeitnehmer jedoch auch nicht verpflichtet, ein unterbreitetes Abfindungsangebot anzunehmen.

Der Arbeitnehmer kann auch trotz dieses Angebotes eine Kündigungsschutzklage erheben. Der Arbeitnehmer, der von seinem Arbeitgeber ein "gesetzliches" Abfindungsangebot unterbreitet bekommt, muss sich überlegen, ob er das Angebot annimmt oder, anstatt dessen ausschlägt und Kündigungsschutzklage erhebt.

Letzteres bietet sich insbesondere an, wenn der Arbeitnehmer vorrangig an dem Erhalt seines Arbeitsplatzes interessiert ist und Chancen bestehen, den Prozess zu gewinnen. Die Erhebung einer Kündigungsschutzklage kann sich jedoch auch anbieten, wenn sich der Arbeitnehmer in einem Prozess Chancen verspricht, eine noch höhere Abfindung auszuhandeln.

Was tun bei einer betriebsbedingten Kündigung ?

Wer als Arbeitnehmer eine Kündigung von seinem Arbeitgeber erhalten hat, muss sich innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung entscheiden, ob er hiergegen Kündigungsschutzklage erheben will oder nicht. Entscheidet sich der Arbeitnehmer gegen die Erhebung einer Kündigungsschutzklage oder versäumt er diese dreiwöchige Klageerhebungsfrist, gilt die Kündigung als von Anfang an rechtswirksam. Das Arbeitsverhältnis ist durch diese Kündigung beendet worden. Soweit der Arbeitgeber wirksam eine Abfindung nach der neuen Gesetzesregelung angeboten hat, kann der Arbeitnehmer die gesetzliche Abfindung ab jetzt beanspruchen.

Will der Arbeitnehmer jedoch gegen diese Kündigung vorgehen, muss er zwingend innerhalb der dreiwöchigen Klagefrist die Kündigungsschutzklage erheben. Die dreiwöchige Klagefrist gilt seit 01.01.2004 für alle Unwirksamkeitsgründe.

Die Erhebung einer Kündigungsschutzklage empfiehlt sich vor allem immer dann, wenn der Arbeitnehmer sein Arbeitsverhältnis fortsetzen möchte und die Kündigung unwirksam ist bzw. der Arbeitnehmer zumindest Zweifel an der Wirksamkeit der Kündigung hat. Unwirksam ist die Kündigung insbesondere dann, wenn der Arbeitgeber einen bestehenden Sonderkündigungsschutz nicht beachtet oder den Betriebsrat nicht oder nicht ordnungsgemäß beteiligt hat.

Unwirksam ist die Kündigung auch dann, wenn beispielsweise kein ausreichender Grund für die betriebsbedingte Kündigung vorliegt, der gekündigte Arbeitnehmer auf einen anderen freien Arbeitsplatz hätte weiterbeschäftigt werden können oder die Sozialauswahl fehlerhaft ist und damit ein anderer Kollege weniger schutzwürdig gewesen wäre. Die Erhebung der Kündigungsschutzklage kann sich jedoch auch dann anbieten, wenn der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis eigentlich nicht mehr fortführen möchte, allerdings eine (ggf. höhere, als die angebotene) Abfindung herausholen will.

Die Erhebung einer Kündigungsschutzklage führt zwar nicht zwingend zu einer Abfindung. In vielen Fällen sind die Arbeitgeber jedoch dazu bereit, eine Abfindung zu zahlen, wenn die Wirksamkeit der Kündigung nicht eindeutig ist und ein Risiko besteht, den Prozess zu verlieren (vgl. auch Ausführungen zu "Wann bietet sich eine gütliche Einigung im Kündigungsschutzprozess an?"). Erfahrungsgemäß endet die Mehrzahl der Kündigungsschutzprozesse mit einem Vergleich vor Gericht, wonach das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung beendet wird.

Da die Beurteilung, ob ein Sachverhalt zur Kündigung ausreicht oder ggf. andere Unwirksamkeitsgründe bestehen, für den Arbeitnehmer nicht einfach ist und grundsätzlich Praxiserfahrung und eine gesicherte Kenntnis der Rechtsprechung voraussetzt, empfiehlt es sich für den gekündigten Arbeitnehmer regelmäßig, anwaltliche Hilfe und Beratung in Anspruch zu nehmen.